Ein Bagger, der von einem relativ kleinen Boot fast im Sekundentakt eine braune Masse in einen Container umlädt. Was hier im Hafen von Lanildut im Finistère (lat. finis terrae, Ende der Welt) im äußersten Westen Frankreichs geschieht und welche Bedeutung es für fast jeden Lebensmittelkonsumenten hat, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Doch fangen wir vorne an…
Es handelt sich um einen der 35 lizenzierten Algenfischer, die ein Boot und eine Genehmigung haben, von Montag bis Freitag einmal pro Tag mit ihrem Boot in die Algengründe der Irischen See zwischen Lanildut und den Inseln Ouessant und Molène zu fahren und ihr Boot voll zu laden. Eine sehr wichtige Rolle spielt der Fingertang (Laminaria digitata), eine Braunalge, die auf den Felsen in geringen Wassertiefen bis zu 5 Metern wächst und zwischen April und Oktober geerntet wird. Früher wurde sie als Dünger auf den Feldern verwendet und später auch verbrannt und die Asche als Kaliumquelle („Pottasche“) für die Seifen- und Glasherstellung genutzt. Durch ihren hohen Jodgehalt wurde sie auch als Nahrungsergänzungsmittel zur Vorbeugung von Schilddrüsenerkrankungen genutzt.
Zur Ernte wird eine Art Riesen-Korkenzieher („Scoubidou“) verwendet, der an einem Kran-Arm aufgehängt und mit einem Elektromotor drehbar ist. In ihm verfangen sich die bis zum 2 Meter langen Algen und werden in das Boot befördert und dort durch entgegengesetzte Drehung entladen. Wenn das Boot so voll ist, dass der Laie es schon kurz vorm Sinken sieht, geht es in den Hafen von Lanildut, Portsall oder Roscoff und das ist erst der erste Schritt einer Verarbeitungskette, die im Supermarktregal endet. Doch wer hat dort jemals Fingertang gesehen?
Aus den pro Tag geernteten 15 bis 60 Tonnen pro Boot werden Zusatzstoffe gewonnen, die in der Lebensmittelindustrie eine große Rolle spielen: Alginate als Gelier- und Verdickungsmittel, die wir unter den Bezeichnungen E400 bis E405 in unseren Lebensmitteln wiederfinden, z.B. in Diät- und Lightprodukten, Backwaren, Tiefkühlprodukten, Mayonnaisen, Salatsaucen, Speiseeis, Fleisch- und Gemüsekonserven und Suppen. Doch sie sind viel besser als der Ruf vieler E-Zusatzstoffe, denn sie sind vegan, für Bio-Produkte zugelassen und werden vom Körper nicht aufgenommen. Weitere aktuelle Nutzungen reichen bis zur Bügelhilfe und der Herstellung hochwertiger fotografischer Papiere. Ein echter Allround-Rohstoff!
Leider geht der auch in diesem Sommer wieder in Europa zu spürende Klimawandel auch an den Braunalgen nicht spurlos vorüber. Sie sind an die Bedingungen kaltgemäßigter Meere angepasst und haben ihr Wachstumsoptimum zwischen 10 °C und 15 °C. Der allgemein zu beobachtende Rückgang ist auf die höheren Wassertemperaturen der letzten Jahre zurückzuführen und möglicherweise werden sich die Vorkommen nordwärts verschieben.
Ich würde mich über deine Anmerkungen und Kommentare freuen.
Bis bald
Marcus